• Hier könnt ihr Zitate aus Büchern posten; bestimmte Sätze oder Passagen, die euch persönlich berührt haben/euch nicht aus dem Kopf gehen und die vielleicht einen großen Teil dazu beigetragen haben, dass ihr das Buch aus dem sie stammen so schätzt.


    Eventuell werden so auch andere User auf Bücher aufmerksam, die ihnen gefallen könnten – also am besten den Autor und das Werk aus dem sie stammen immer dazuschreiben ;)





    „Der Mann ohne Eigenschaften“ – Robert Musil


    Wie man sieht, konnte ich mich nicht auf ein Zitat beschränken – ich musste mich zwingen es nicht noch mehr werden zu lassen ;)

  • Mit der Liebe ist es wie mit den Sonnenuntergängen:


    Du findest sie kitschig und doch atemberaubend.


    (der mädchenmaler )


    So war das Leben. Der eine starb, der
    andere freute sich auf ein gutes Essen und wir alle bemühten uns, mit
    dem Zynismus solcher Widersprüche fertig zu werden.


    (der erdbeerpflücker)


    beides von monika feth...


    fällt mir spontan ein, wenn ich dieses Thema lese.
    Ich liebe Zitate^^

    There is a tide in the affairs of men.
    Which, taken at the flood, leads on to fortune;
    And we must take the current when it serves
    Or lose our ventures.

  • Einige Zitate, die mich berührt und/oder fasziniert haben:


    Martin Walser: Brandung


    "Alles ist um ein weniges verschoben. Nichts ist zerstört, aber heil ist auch nichts mehr. (...) In ihm war auch nichts mehr am alten Platz. Diese vier Wochen hatten ihn verändert. Aber er konnte sich Veränderung nicht mehr leisten. Das hatten die vier Wochen auch erbracht. Wenn's noch Veränderung wäre. Ins Rutschen war er geraten. Und bevor das unabsehbar wurde, musste er Halt rufen. Schluss. Es ist alles gut, wie es ist. Es könnte nicht besser sein. Das ist wahrscheinlich das Schwerste, sich so glücklich zu fühlen, wie man ist. Wie man sein müsste."


    Martin Walser: Angsblüte


    "Und was einmal war, kann nicht durch irgendwelche Operationen dazu verurteilt werden, nicht gewesen zu sein. Wenn etwas nicht mehr ist, hört es nicht auf, gewesen zu sein."


    Erich Kästner: Der kleine Grenzverkehr


    "Das Gefühl für Zeit kommt einem, wenn man sich sehnt, sie möge stillstehen, ganz und gar abhanden."


    "So oft hab' ich mir ein schlechtes Gedächtnis gewünscht. Denn das meiste verdient vergessen zu werden."


    Hansjörg Schertenleib: Der Glückliche


    "Man muss das Glück erkennen, wenn es einem begegnet. Er hat viele Freunde, die ihre Zeit damit vertun, au das wundersame Ereignis zu warten, das sie erlöst, das aus ihrem Leben, das sie als triste Bleistiftskizze wahrnehmen, ein farbenprächtiges Ölgemälde macht. Freunde, die über diesem Warten blind geworden sind für die glücklichen Augenblicke. Außerdem muss man das Glück aushalten können. Viele seine Freunde tun alles, es zu zerstören, überzeugt davon, die Erfüllung könnte schlimmer sein als das Scheitern, getrieben von der Gewissheit, dass nichts der Hölle ähnlicher ist als das Paradies. Für sie steht fest, dass das Paradies nur existiert, bevor sie es betreten, oder dass es erst in dem Moment entsteht, in dem sie es verlassen. Sie sind erst überzeugt davon, dass etwas richtig war, wenn es vorbei ist."


    "Das Leben ist leicht. Schwer ist nur die Angst davor."


    "Das Glück ist nicht blind. Blind sind die, die es nicht sehen."


    Jostein Gaarder: Das Leben ist kurz


    "Sie war ein frommer Mensch - es gelang ihr, dieses Leben zu verachten, meine ich. Ich möchte aber trotzdem hinzufügen, dass das vielleicht auch bedeutet, Gottes Schöpfung zu verachten. Wir wissen doch nicht, ob Gott für uns noch eine andere Welt erschaffen hat."


    "Das Leben ist so kurz, Aurel. Wir dürfen auf ein Leben nach dem Tode hoffen. Aber wir dürfen andere Menschen und uns selber nicht schlecht oder als Werkzeug behandeln, um eine Existenz zu erreichen, von der wir nichts wissen."


    Jostein Gaarder: Das Kartengeheimnis


    "Wenn die Zeit nur immer weitergeht - und die Erinnerungen sich weiter und weiter von dem fortbewegen, was sie einst geschaffen hat-, dann schleichen sich unweigerlich Zweifel an unserem Gedächtnis ein."


    Paulo Coelho: Der Alchimist


    "Denn alle Menschen haben immer genaue Vorstellungen davon, wie wir unser Leben am besten zu leben haben. Doch nie wissen sie selber, wie sie ihr eigenes Leben am besten anpacken sollen."


    "Ich werde verbittert sein und den Menschen misstrauen, weil einer mich betrogen hat. Ich werde all jene hassen, die ihre verborgenen Schätze gefunden haben, weil ich meinen nicht fand. Und ich werde immer das wenige, was ich habe, festhalten, weil ich zu klein bin, die Welt zu umarmen."


    Albert Camus: Die Pest


    "Keiner wird je frei sein, solange es Geißeln der Menschheit gibt."


    "In gewöhnlichen Zeiten empfanden wir alle, bewusst oder unbewusst, dass es keine Liebe gibt, die sich nicht noch steigern kann, und doch ließen wir es mehr oder weniger gleichmütig zu, dass die unsere mittelmäßig blieb. Aber die Erinnerung ist anspruchsvoller."


    "Aber wer zu lange warten muss, der wartet nicht mehr."


    Albert Camus: Der Fremde


    "Ich hätte ihr am liebsten gesagt, dass es nicht meine Schuld wäre, habe aber an mich gehalten, weil ich dachte, dass ich es schon zu meinem Chef gesagt hatte. Das bedeutete nichts. Man ist sowieso immer ein bisschen schuld."


    "Da ist mir klargeworden, dass ein Mensch, der nur einen einzigen Tag gelebt hat, mühelos hundert Jahre in einem Gefängnis leben könnte. Er hätte genug Erinnerungen, um sich nicht zu langweilen. In gewisser Weise war das ein Vorteil."


    Alber Camus: Der Fall


    "Es muss etwas geschehen - das ist die Erklärung für die meisten menschlichen Bindungen."


    "Ja, so muss die Hölle sein: Straßen voller Aushängeschilder und keine Möglichkeit, Erklärungen dazu abzugeben. Man ist ein für allemal festgenagelt und eingereiht."


    "Was hat es da zu besagen, ob ich sie erlebt oder erfunden habe, wenn sie doch in beiden Fällen für das bezeichnend sind, was ich war und bin? Man durchschaut den Lügner manchmal besser als einen, der die Wahrheit spricht."

  • „Der Zauber literarischer Gestalten hängt von einem komplexen Zusammenspiel zwischen Suggestion und Unbestimmtheit ab. […]Es ist das Vorrecht von Büchern, frei wie sie sind von der Tyrannei der Bilder und damit in einer bestimmten Weise auch von Realität, manches der Phantasie des Lesers zu überlassen.“ (Romantische Bewegung - Alain de Botton)


    "Sie hatte einen Kobold in sich, der necken und tanzen wollte, und einen Träumergeist, der Märchen dichten wollte, und eine beständige Sehnsucht, das tägliche kleine Leben mit dem großen herrlichen Leben zu verknüpfen, dass in Liedern und Gemälden, in schönen Büchern und im Sturm der Wälder und des Meeres klang. Sie war nicht damit zufrieden, dass eine Blume nur eine Blume und ein Spaziergang nur ein Spaziergang sein sollte. Eine Blume sollte eine Elfe, ein schöner Geist in schöner Verwandlung sein und ein Spaziergang nicht eine kleine pflichtmäßige Übung und Erholung, sondern eine ahnungsvolle Reise nach dem Unbekannten, ein Besuch bei Wind und Bach, ein Gespräch mit den stummen Dingen." (Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne - hermann Hesse)


    „Der Winter kam nur bis zu den Fensterscheiben, die unter seinem eisigen blauen Atem zufroren. Wenn ein Zauberer mir ein Geschenk machen wollte, würde ich ihn um eine Flache bitten, in der die Geräusche jener Küche eingefroren wären, das Hahaha und das Knistern des Feuers, eine Flasche übervoll mit dem Duft des Butter- und Zuckergebäcks […].“ (Die Grasharfe - Truman Capote)


    „Er wirkte wie ein geschminkter Clown, schlaksig, gepudert, eckig-elegant.“ (Die Grasharfe - Truman Capote)

  • "Da er (Gott) Reue empfand wegen der dem Adam und seiner Gattin allzu freigiebig gewährten Gaben, wollte er sie ihnen entziehen, ohne eine schelchte Rolle zu spielen; er wandte sich an die Schlange und suggerierte ihr jene ausgeklügelte Schändlichkeit mit dem Apfel, die wir alle kennen.
    Die Schlange war einverstanden mit Gottes Vorschlag.
    Frucht dieser Frucht war dieses: die Augen Adams und Evas wurden aufgetan, und sie erkannten, daß sie nackt waren; daher nähten sie aus Feigenblättern nach Maß ein Komplet. Aber wie konnten sie wissen, daß sie nackt waren, da sie nie zuvor Kleider gesehen hatten ? Am Morgen danach suchte der Herr Adam auf, der, immer Kavalier, die Schuld auf seine Gattin schob.
    Gott ließ sich, ein wenig erbärmlich, den Apfel teuer bezahlen, indem er die Übelkeiten der Schwangerschaft und die Schmerzen des Gebärens erfand. Die Frauen mit der nach rückwärts gelagerten Gebärmutter wissen also, wem sie das zu danken haben, denn Gott sprach: du sollst mit Schmerzen, Kinder gebären, die Erde wird Dornen und Disteln hervorbringen, im Schweiße deines Angesichts und desjenigen deines Bäckers sollst du dein Brot essen, und du wirst es teuer bezahlen, denn der Wechselkurs mit Amerika ist entsetzlich hoch.
    Dann vertrieb er sie aus Eden und postierte auf der Schwelle Karabinieri mit flammendem Schwert, die er Cherubim nannte. Kurz, die Ehe zwischen Adam und Eva war unglücklich wie alle vereinbarten Eheschließungen."

    ( -- Pitigrilli / 'Kokain' -- )

  • „Wenn das Herz denken könnte, stünde es still.“


    „Alles in mir neigt dazu, weiterzugehen und etwas anderes zu werden; es ist eine Ungeduld der Seele mit sich selbst […]; eine wachsende immer gleiche Unruhe. Alles fesselt mich und nichts hält mich. Ich achte auf alles und träume beständig; […]“


    „Was schon könnte man an Lohnenswerte oder Nützlichem bekennen? Was uns widerfahren ist, ist entweder allen widerfahren oder uns allein; in dem einen Fall ist es nichts Neues, im anderen unbegreiflich.“


    „[…]wo, zusammengekauert auf der Bank einer Eisenbahnstation, meine Verachtung im Mantel meiner Mutlosigkeit schläft…“


    „Ich bin niemand, niemand.
    Ich vermag nicht zu fühlen, vermag nicht zu denken, vermag nicht zu wollen.
    Ich bin eine Gestalt aus einem noch zu schreibenden Roman,
    die luftig vorüberweht und sich auflöst, ohne gewesen zu sein.“


    "Mein Durst nach Ganzheit hat mich in diesen Zustand unnützer Trauer versetzt."


    "Immer wieder sehe ich mich in meinem von Umständen bedrängten Leben, kaum will ich mich von ihnen befreien, unversehens von neuen Umständen gleicher Art umzingelt, als herrsche in dem ungewissen Gespinst der Dinge entschieden Feindschaft gegen mich. Ich reiße von meinem Hals eine Hand, die mich erstickt. Und sehe, dass meine eigene Hand, die soeben die andere wegriss, mir zugleich mit der Geste der Befreiung eine Schlinge um den Hals gelegt hat. Vorsichtig entferne ich die Schlinge und stranguliere mich fast mit eigenen Händen."


    "Die Uhr, hinten im Haus, das wie ausgestorben wirkt, da alle schlafen, schlägt langsam vier helle Schläge zur vierten Stunde der Nacht. Ich schlafe noch immer nicht und ich erwarte auch nicht, es noch zu können. Ohne dass etwas meine Aufmerksamkeit fesselte und mich so vom Schlaf abhielte oder auf meinem Körper lastete und mich so vom Schlaf abhielte oder auf meinem Körper lastete und mich daher nicht zur Ruhe kommen ließe, liege ich hier im starren Schweigen meines mir fremden Körpers im Dunkel, einsamer noch durch das schwache Mondlicht der Straßenlaternen. Ich bin außerstande zu denken, so schläfrig bin ich; ich bin außerstande zu fühlen, so fehlt mir der Schlaf.
    Alles um mich her ist ein abstraktes, nacktes Universum nächtlicher Verneinungen. Teils übermüdet, teils unruhig rühre ich mit dem Empfinden meines Körpers an die metaphysische Kenntnis vom Geheimnis der Dinge. Bisweilen erlahmt meine Seele, dann treiben formlose Einzelheiten des alltäglichen Lebens an der Oberfläche meines Bewusstseins, und ich führe in meinem schlaflosen Dämmerungszustand Buch. Ein andermal erwache ich aus dem Halbschlaf, und vage poetische, unfreiwillig farbige Bilder ziehen in lautlosem Spiel durch meine geistesabwesenden Gedanken. Meine Augen sind nicht ganz geschlossen. Meinen matten Blick umflort von fern ein Licht; es kommt von den brennenden Laternen, unten, am Rand der verlassenen Straße.
    Aufhören, einschlafen, dieses Zwischenbewußtsein ersetzen durch bessere, melancholische Dinge, heimlich dem zugeraunt, der mich nicht kennt!"


    ("Das Buch der Unruhe" - Fernando Pessoa)

  • "Je glücklicher die Menschen sein können, desto unglücklicher werden sie."


    "Sie verharrte still und gab sich ganz dem Augenblick hin. Und fühlte, wie der Hass entwich und die Liebe in sie einströmte. Dann drehte sie sich zum Mond und spielte ihm zu Ehren eine Sonate. Und der Mond hörte ihr zu und war stolz auf sie, was wiederum die Sterne eifersüchtig machte. Daher spielte sie dann eine Musik für die Sterne, eine für den Garten und noch eine für die Berge, die sie im Dunkeln nur erahnen konnte. Als sie gerade die Musik für den Garten spielte, erschien ein anderer Verrückter: Eduard, ein unheilbarer Schizophrener. Sie erschrak nicht, im Gegenteil, sie lächelte ihn an, und zu ihrer Überraschung lächelte er zurück. Auch in seine ferne Welt, die ferner war als der Mond, konnte die Musik eindringen und Wunder tun."


    "Es wird eine Ewigkeit lange dauern, Veronika. Länger als all die gleichförmigen Tage und Nächte, die ich hier verbracht habe, während ich versuchte, die Visionen des Paradieses für immer zu vergessen. Ich hatte sie fast vergessen, aber mir scheint, sie kehren zurück. Lass uns gehen, Verrückte machen verrückte Dinge."


    Paulo Coelho - "Veronika beschließt zu sterben"

  • ..


    "Aber er war doch klug genug, um durch das Unerwartete und Eigenartige dieser neuen Freundschaft nicht bedrängt zu sein. Was ihn so sehr verwirrte, war das Gefühl seiner Unwertigkeit, seiner Nichtigkeit. 'Bin ich denn seiner würdig, ich, ein kleiner Bub, zwölf Jahre alt, der noch die Schule vor sich hat, der abends vor allen andern ins Bett geschickt wird?' quälte er sich ab. 'Was kann ich ihm sein, was kann ich ihm bieten?' Gerade dieses qualvoll empfundene Unvermögen, irgendwie sein Gefühl zeigen zu können, machte ihn unglücklich. Sonst, wenn er einen Kameraden liebgewonnen hatte, war es sein Erstes, die paar kleinen Kostbarkeiten seines Pultes, Briefmarken und Steine, den kindischen Besitz der Kindheit, mit ihm zu teilen, aber all diese Dinge, die ihm gestern noch von hoher Bedeutung und seltenem Reiz waren, schienen ihm mit einem Male entwertet, läppisch und verächtlich. Denn wie konnte er derlei diesem neuen Freunde bieten, dem er nicht einmal wagen durfte, das Du zu erwidern; wo war ein Weg, eine Möglichkeit, seine Gefühle zu verraten? Immer mehr und mehr empfand er die Qual, klein zu sein, etwas Halbes, Unreifes, ein Kind von zwölf Jahren, und noch nie hatte er so stürmisch das Kindsein verflucht, so herzlich sich gesehnt, anders aufzuwachen, so wie er sich träumte: groß und stark, ein Mann, ein Erwachsener wie alle andern..."


    ..


    "Wie furchtbar diese Finsternis war, wie verwirrend und doch wie geheimnisvoll schön! Waren es Tiere oder Menschen oder nur die gespenstige Hand des Windes, die all dieses Rauschen und Knistern, dieses Surren und Locken ineinanderwebte? Er lauschte. Es war der Wind, der unruhig durch die Bäume schlich, aber - jetzt sah er es deutlich - auch Menschen, verschlungene Paare, die von unten, von der hellen Stadt heraufkamen und die Finsternis mit ihrer rätselhaften Gegenwart belebten. Was wollten sie? Er konnte es nicht begreifen. Sie sprachen nicht miteinander, denn er hörte keine Stimmen, nur die Schritte knirschten unruhig im Kies, und hie und da sah er in der Lichtung ihre Gestalten flüchtig wie Schatten vorüberschweben, immer aber so in eins verschlungen, wie er damals seine Mutter mit dem Baron gesehen hatte. Dieses Geheimnis, das große, funkelnde und verhängnisvolle, es war also auch hier. Immer näher hörte er jetzt Schritte herankommen und nun auch ein gedämpftes Lachen. Angst befiel ihn, die Nahenden möchten ihn hier finden, und noch tiefer ins Dunkel drückte er sich hinein. Aber die beiden, die jetzt durch die undurchdringliche Finsternis den Weg herauftasteten, sahen ihn nicht. Verschlungen gingen sie vorbei, schon atmete Edgar auf, da stockte plötzlich ihr Schritt, knapp vor seiner Bank. Sie preßten die Gesichter aneinander, Edgar konnte nichts deutlich sehen, er hörte nur, wie ein Stöhnen aus dem Munde der Frau brach, der Mann heiße, wahnsinnige Worte stammelte, und irgendein schwüles Vorgefühl durchdrang seine Angst mit einem wollüstigen Schauer. Eine Minute blieben sie so, dann knirschte wieder der Kies unter ihren weiterwandernden Schritten, die dann bald in der Finsternis verklangen.
    Edgar schauerte zusammen. Das Blut stürzte ihm jetzt wieder in die Adern zurück, heißer und wärmer als zuvor. Und mit einem Male fühlte er sich unerträglich einsam in dieser verwirrenden Finsternis, urmächtig kam das Bedürfnis über ihn nach irgendeiner befreundeten Stimme, einer Umarmung, nach einem hellen Zimmer, nach Menschen, die er liebte. Ihm war, als wäre die ganze ratlose Dunkelheit dieser wirren Nacht nun in ihn gesunken und zersprengte ihm die Brust.
    Er sprang auf. Nur heim, heim, irgendwo zu Hause sein... ...Was konnte ihm denn geschehen? Sollte man ihn schlagen und beschimpfen, er fürchtete nichts mehr, seit er dieses Dunkel gespürt hatte und die Angst vor der Einsamkeit..."


    "Als sie (seine Mutter) dann die Hand von ihm ließ, die Lippen sich den seinen entwanden und die leise Gestalt entrauschte, blieb noch ein Warmes zurück, ein Hauch über seinen Lippen. Und schmeichlerisch flog ihn Sehnsucht an, oft noch solche weichen Lippen zu spüren und so zärtlich umschlungen zu werden..."


    ( -- Zweig / 'Brennendes Geheimnis' -- )

  • O for a voice like thunder, and a tongue
    To drown the throat of war! When the senses
    Are shaken, and the soul is driven to madness,
    Who can stand? When the souls of the oppressèd
    Fight in the troubled air that rages, who can stand?
    When the whirlwind of fury comes from the
    Throne of God, when the frowns of his countenance
    Drive the nations together, who can stand?
    When Sin claps his broad wings over the battle,
    And sails rejoicing in the flood of Death;
    When souls are torn to everlasting fire,
    And fiends of Hell rejoice upon the slain,
    O who can stand? O who hath causèd this?
    O who can answer at the throne of God?
    The Kings and Nobles of the Land have done it!
    Hear it not, Heaven, thy Ministers have done it!


    Prologue- King Edward the Fourth by William Blake

    I t ' s j u s t t h e s a m e o l d s i g h t s a n d t h e s a m e o l d s o u n d s
    I want to take my car and drive out of this two story town

  • Das Blut der anderen – Simone de Beauvoir


    „Diese Nacht bis zum Morgengrauen und vielleicht noch einige Tage. Aber nicht unser ganzes Leben lang. Schließlich ist es doch sein Unglück, nicht das unsere. Es ist sein Tod. Sie hatten ihn mit seinem zerrissenen Kragen und mit dem geronnenen Blut im Gesicht auf die Bank gelegt; sein Blut, nicht das meine.<Ich werde es nie vergessen.> […]Und ruhig und fremdartig liegt sein Tod auf dem Grunde unseres Lebens, und wir, die Lebendeigen, erinnern uns daran; wir leben und erinnern uns immer wieder daran, obwohl der Tod nicht mehr existiert und für ihn, der gestorben ist, niemals existiert hat. Nicht unser ganzes Leben lang. Nicht einmal einige Tage. Nicht einmal eine Minute.“


    „Die Tür verschlossen halten, die Lippen verschließen; aber mein Schweigen schreit Befehle. <Du sagst nichts und ich tue es.> Oder aber: <Du sagst nichts und ich tue es nicht.> Meine Gegenwart ist Order. Schreite doch vorwärts, schreite voran in dem Unrat der Nacht! Entscheide. Ich habe deinen Tod entschieden, und damit ist es nicht getan. Weiter. Ich möchte um Gnade schreien: aber es gibt keine Gnade. Ach, ich habe dich schlecht geliebt! Hätte ich die Tücken der Vorsicht eher erkannt, so hätte ich meine Tür geöffnet. Ich hätte meine Arme und mein Herz geöffnet. Stumm, steif.“


    „Es ist dieselbe Geschichte. Weil ich existiere. Kann ich denn nicht so tun, als existiere ich nicht mehr? Ich gehe aus der Welt, ich lösche mein Gesicht, meine Stimme und meine Spuren aus – und nichts ist geändert; an meiner Stelle ist nur ein unbedeutender Riß. Hélène braucht sich nicht mehr mit einer unglücklichen Liebe zu plagen; Madeleine läßt sich nicht in Spanien töten; die Erde ist um diese lästige Existenz erleichtert, die heimlich unheilvolle Fäden spannt, sie spielen und schließlich bei fernen, unvorhersehbaren Ereignissen zerreißen läßt. Am besten veschwinden; nicht mehr da sein. < Ich werde nicht mit Paul reden.> Und am Morgen würde man in dem nach Desinfektionsmitteln riechenden Zimmer einen mit Kokain gefüllten Leichnam finden. Da begriff ich plötzlich: du wirst nicht aus der Welt verschwinden. Niemand wird dir die Entscheidung abnehmen.“


    „Ich ruderte, und das Boot glitt ruhig durch das Wasser; es hinterließ keine Spur. Nur diesen weißen Schaum, der sich hebt und dann in der glatten Oberfläche des Wassers verschwindet. Man müßte diese Stimme töten. Die Stimme sagt: Ich möchte dieser Schaum sein. Sie sagt: man sollte diese Stimme töte. Der Schaum erstand und starb ohne Stimme.“


    „Ich blieb allein, in diesem süßlichen Frieden, der zu sterben begann; allein mit der Qual des Wartens, nachdem ich den Becher der Schande bis zur Neige ausgetrunken hatte und nun die Explosion herbeisehnte, die mich endlich von mir selbst erlösen würde.“


    „Und plötzlich war es geschehen. Den Krieg wollen; ihn nicht wollen. Die Antwort darauf war bedeutungslos geworden: Der Krieg war da. […] Meine Gedanken, meine Wünsche waren nur noch leere Blasen, sie platzen ohne ein Zeichen in der Welt zu hinterlassen, ohne meine Seele zu bedrücken. Ich war von mir selbst befreit, von der beängstigenden Aufgabe, ein Mensch zu sein. Nur noch Soldat, der gleichgültig in den Tag hineinlebt. Tue es. Tue es nicht. Ich war nicht mehr derjenige, der sprechen mußte: ein anderer redete für mich. Ein unmenschliches Schweige; eine tödliche Ruhe; jenseits von Zustimmung und Empörung. Es war einfach ein Toter zu sein. Es würde einfach sein. Aber wie konnte man ein Toter werden? Wie konnte man sich töten und am Leben bleiben? Die Stimme sagte: Ich möchte tot sein, und diese Stimme ist das Leben. Ich schließe die Augen, aber es ist vergeblich. Das Schweigen ist nicht mehr da; ich kann das Schweigen nicht wiederherstellen. Tue es. Tue es nicht. Ich bin wieder derjenige, der reden muß.“


    „Sie sah die Geschichte an sich vorbeiziehen, die nicht ihre Geschichte war, die niemandem gehörte.“

  • Your memory is a monster; you forget - it doesn't. It simply files things away. It keeps things for you, or hides things from you - and summons them to your recall with a will of its own. You think you have a memory; but it has you!


    ~ John Irving (A Prayer for Owen Meany)


    It is a far, far better thing that I do, than I have ever done; it is a far, far better rest that I go to than I have ever known.


    ~ Charles Dickens (A Tale Of Two Cities)


    Anyway, I keep picturing all these little kids playing some game in this big field of rye and all. Thousands of little kids, and nobody's around - nobody big, I mean - except me. And I'm standing on the edge of some crazy cliff. What I have to do, I have to catch everybody if they start to go over the cliff - I mean if they're running and they don't look where they're going I have to come out from somewhere and catch them. That's all I do all day. I'd just be the catcher in the rye and all. I know it's crazy, but that's the only thing I'd really like to be.

    ~ J.D. Salinger (The Catcher in the Rye)

  • Dante Alighieri – Die Göttliche Komödie


    aus dem 13. Gesang


    „Wir waren Menschen einst, sind nun Gebüsch;
    Selbst dann geziemte dir ’ne zartere Hand,
    Wenn Schlangenseelen wir statt Menschenich.“


    „Mein Geist sodann, mit trotzigen Gebärden,
    Im Glauben, dass der Tod dem Schimpfe wehre,
    Ließ schuldig mich an meiner Unschuld werden.“


    aus dem 2. Gesang


    „Durch mich gelangt man zu der Stadt der Schmerzen,
    Durch mich zu wandellosen Bitternissen,
    Durch mich erreicht man die verlorenen Herzen.“


    „Gerechtigkeit hat mich dem Nichts entrissen;
    Mich schuf die Kraft, die sich durch alles breitet,
    Die erste Liebe und das höchste Wissen.“



    Ebenfalls aus Dantes Göttlicher Komödie, die Übersetzungen stammen jedoch aus dem Roman "Minos" (Marcos M. Villatoro)


    „Blutflüsse ergießen sich in die,
    deren Gewalttaten anderen schaden
    Ich bin der große Connaisseur der Sünde“ (Inferno 12. Gesang)


    „Wenn sich die wilde Seele losgetrennt
    Vom Leib, von dem sie selber sich gerissen,
    schickt Minos sie hinab zum siebten Schlund.“ (Inferno, 13. Gesang)


    „Weh … welche Glut, die sie durchzückt,
    Welch süßes Sinnen, liebliches Begehren
    Hat sie in dieses Qualenland entrückt?“ (Inferno, 5. Gesang)


    „Ihr macht Zerberus für seinen Hunger verantwortlich,
    stopft eure gefräßigen Mäuler mit Brocken ausgehöhlter Erde[…].“




    Stephenie Meyer – Seelen


    „[…]Die Ironie brachte mich zum Lachen und ich konzentrierte mich auf das Gefühl, wie die Luft in kleinen Blasen aus meiner Brust durch meine Kehle aufstieg. Gelächter war wie eine frische Brise – es reinigte den Körper auf seinem Weg, sorgte überall für ein gutes Gefühl[…]“


    „[…]Die Sonne geht unter – alles in rosige Farben getaucht und erinnert mich an meine Freundin. Wie würde sie hier heißen? Irgendwas mit … Rüschen? Sie war eine schöne Blume. Die Blumen hier sind so leblos und langweilig. Aber sie riechen herrlich. Die Gerüche sind das Beste an diesem Ort[…]“



    Friedrich Nietzsche – Also sprach Zarathustra


    „[…]Aber "jene Welt" ist gut verborgen vor dem Menschen, jene entmenschte unmenschliche Welt, die ein himmlisches Nichts ist; und der Bauch des Seins redet gar nicht zum Menschen, es sei denn als Mensch[…]“


    „[…]Untergehen will euer Selbst, und darum wurdet ihr zu Verächtern des Leibes! Denn nicht mehr vermögt ihr über euch hinaus zu schaffen. Und darum zürnt ihr nun dem Leben und der Erde. Ein ungewusster Neid ist im scheelen Blick eurer Verachtung[…]“


    „[…]Unaussprechbar ist und namenlos , was meiner Seele Qual und Süße macht und auch noch der Hunger meiner Eingeweide ist[…]“



    David Clement-Davies - Wolfsaugen


    „[…]Groll war ein Geburtsrecht. Lange bevor sie verstoßen wurde, schon als Welpe, hatten die Wölfe sie wegen ihrer komischen Art gefürchtet. Wie sehr hatte sie sich nach Zuneigung gesehnt, und als sie größer wurde, hätte sie gerne eigene Junge gehabt. Sie wollte so vieles mit anderen zusammen machen, sie wollte unbedingt ein Rudelwolf sein und die Geheimnisse der Gabe und des Lebens mit anderen teilen. Sie wollte so gerne geliebt werden und andere lieben. Doch in jener Nacht, als sie das Junge aus Versehen getötet hatte, hatten alle sie verurteilt. Wie sehr sie die Wölfe damals gehasst hatte!
    Die Gabe hatte sie isoliert.[…]“

  • There is a tide in the affairs of men.
    Which, taken at the flood, leads on to fortune;
    And we must take the current when it serves
    Or lose our ventures.

  • ..

    Der Durchschnittspreis der Lohnarbeit ist das Minimum des Arbeitslohnes, d.h. die Summe der Lebensmittel, die notwendig sind, um den Arbeiter am Leben zu erhalten. Was also der Lohnarbeiter durch seine Tätigkeit sich aneignet, reicht bloß dazu hin, um sein nacktes Leben wieder zu erzeugen.
    ..

    In der bürgerlichen Gesellschaft ist die lebendige Arbeit nur ein Mittel, die aufgehäufte Arbeit zu vermehren. In der kommunistischen Gesellschaft ist die aufgehäufte Arbeit nur ein Mittel, um den Lebensprozeß der Arbeiter zu erweitern, zu bereichern, zu befördern. - In der bürgerlichen Gesellschaft herrscht also die Vergangenheit über die Gegenwart, in der kommunistischen die Gegenwart über die Vergangenheit. In der bürgerlichen Gesellschaft ist das Kapital selbstständig und persönlich, wöhrend das tätige Individuum unselbstständig und unpersönlich ist. - Und die Aufhebung dieser Verhältnisse nennt die Bourgeoisie Aufhebung der Persönlichkeit und Freiheit! Und mit Recht. Es handelt sich allerdings um die Aufhebung der Bourgeois-Persönlichkeit, -Selbstständigkeit und -Freiheit.
    Unter Freiheit versteht man innerhalb der (jetzigen) bürgerlichen Produktionsverhältnisse den freien Handel, den freien Kauf und Verkauf. - Fällt aber der Schacher, so fällt auch der freie Schacher. Die Redensarten vom freien Schacher, wie alle übrigen Freiheitsbravaden unserer Bourgeois, haben überhaupt nur einen Sinn gegenüber dem gebundenen Schacher, gegenüber dem geknechteten Bürger des Mittelalters, nicht aber gegenüber der kommunistischen Aufhebung des Schachers, der bürgerlichen Produktionsverhältnisse und der Bourgeoisie selbst.

    ..

    Von dem Augenblick an, wo die Arbeit nicht mehr in Kapital , Geld, Grundrente, kurz in eine monopolisierbare gesellschaftliche Macht verwandelt werden kann, d.h. von dem Augenblick an, wo das persönliche Eigentum nicht mehr in bürgerliches umschlagen kann, von dem Augenblick an erklärt ihr, die Person sei aufgehoben. - Ihr gesteht also, daß ihr unter der Person niemanden anders versteht, als den Bourgeois, den bürgerlichen Eigentümer. Und diese Person soll allerdings aufgehoben werden.

    ( -- 'Kommunistisches Manifest' / Marx-Engels -- )


    ..

    Vieles krankhafte Volk gab es immer unter denen, welche dichten und gottsüchtig sind; wütend hassen sie den Erkennenden und jene jüngste der Tugenden, welche heißt: Redlichkeit.
    Rückwärts blicken sie immer nach dunklen Zeiten: da freilich war Wahn und Glaube ein ander Ding; Raserei der Vernunft war Gottähnlichkeit, und Zweifel Sünde.
    Allzu gut kenne ich diese Gottähnlichen: sie wollen, dass an sie geglaubt werde, und Zweifel Sünde sei. Allzu gut weiß ich auch, woran sie selber am besten glauben. - Wahrlich nicht an Hinterweltenund erlösende Blutstropfen: sondern an den Leib glauben auch sie am besten, und ihr eigener Leib ist ihnen ihr Ding an sich.
    Aber ein krankhaftes Ding ist er ihnen: und gerne möchten sie aus der Haut fahren. Darum horchen sie nach den Predigern des Todes und predigen selber Hinterwelten.


    ..

    Von allem Geschriebenen liebe ich nur das, was einer mit seinem Blute schreibt. Schreibe mit Blut: und du wirst erfahren, dass Blut Geist ist.

    ..

    Es ist nicht leicht möglich, fremdes Blut zu verstehen: ich hasse die lesenden Müßiggänger.

    ..

    .. das Leben ist schwer zu tragen: aber so tut mir doch nicht so zärtlich! Wir sind allesamt hübsche lastbare Esel und Eselinnen.
    Was haben wir gemein, mit der Rosenknospe. welche zittert, weil ihr ein Tropfen Tau auf dem Leibe liegt? - Es ist wahr: wir lieben das Leben, nicht, weil wir ans Leben, sondern weil wir ans Lieben gewöhnt sind. - Es ist immer etwas Wahnsinn in der Liebe. Es ist aber immer auch etwas Vernunft in dem Wahnsinn. Und auch mir, der ich dem Leben gut bin, scheinen Schmetterlinge und Seifenblasen und was ihrer Art unter Menschen ist, am meisten vom Glücke zu wissen.
    - Diese leichten törichten zierlichen beweglichen Seelchen flattern zu sehen - das verführt Zarathustra zu Tränen und Liedern.

    Ich würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde. - Und als ich meinen Teufel sah, da fand ich ihn ernst, gründlich, tief, feierlich; es war der Geist der Schwere - durch ihn fallen alle Dinge.
    Nicht durch Zorn, sondern durch Lachen tötet man. Auf, lasst uns den Geist der Schwere töten!

    Ich habe gehen gelernt: seitdem lasse ich mich laufen. Ich habe fliegen gelernt: seitdem will ich nicht erst gestoßen sein, um von der Stelle zu kommen. - Jetzt bin ich leicht, jetzt fliege ich, jetzt sehe ich mich unter mir, jetzt tanzt ein Gott durch mich.


    ( -- 'Also sprach Zarathustra' / F. Nietzsche -- )

  • Nun, dann ergänze ich die schon erwähnten Zitate des Zarathustras mit einigen Worten, die mir noch im Kopf hängen geblieben sind und für mich sehr prägnant waren/sind...auch wenn diese erst einen Teil der erwähnenswerten Textstellen aus diesem Buch beihnhalten:


    „Fliehe, mein Freund, in deine Einsamkeit! Ich sehe dich betäubt vom Lärme der großen Männer und zerstochen von den Stacheln der kleinen.
    Würdig wissen Wald und Fels mit dir zu schweigen. Gleiche wieder dem Baume, den du liebst, dem breitästigen: still und aufhorchend hängt er über dem Meere.
    Wo die Einsamkeit aufhört, da beginnt der Markt; und wo der Markt beginnt, da beginnt auch der Lärm der großen Schauspieler und das Gewirr der giftigen Fliegen.
    In der Welt taugen die besten Dinge noch nichts, ohne einen, der sie erst aufführt: große Männer heißt das Volk diese Aufführer.
    […] Eine Wahrheit, die nur in feine Ohren schlüpft, nennt er (der Schauspieler) Lüge und Nichts. Wahrlich, er glaubt nur an Götter, die großen Lärm in der Welt machen!"


    "Unser Glaube an andre verrät, worin wir gerne an uns selber glauben möchten. Unsre Sehnsucht nach einem Freunde ist unser Verräter.
    Und oft will man mit der Liebe nur den Neid überspringen, Und oft greift man an und macht sich einen Feind, um zu verbergen, dass man angreifbar ist. […] Bist du reine Luft und Einsamkeit und Brot und Arznei deinem Freunde? Mancher kann seine eigenen Ketten nicht lösen und doch ist er dem Freunde ein Erlöser.“


    „Ihr ladet euch einen Zeugen ein, wenn ihr von euch gut reden wollt; und wenn ihr ihn verführt habt, gut von euch zu denken, denkt ihr selber gut von euch. […] Der eine geht zum Nächsten, weil er sich sucht, und der andre, weil er sich verlieren möchte. Eure schlechte Liebe zu euch selber macht euch aus der Einsamkeit ein Gefängnis.


    „Es ist schwer mit Menschen zu leben, weil Schweigen so schwer ist.“


    „Falsche Werte und Wahn-Worte: das sind die schlimmsten Ungeheuer für Sterbliche, - lange schläft und wartet in ihnen das Verhängnis.“


    „Als aber der Tanz zu Ende war und die Mädchen fortgegangen waren, wurde er traurig.
    „Die Sonne ist lang schon hinunter“, sagte er endlich; „die Wiese ist feucht, von den Wäldern her kommt Kühle.
    Ein Unbekanntes ist um mich und blickt nachdenklich. Was! Du lebst noch, Zarathustra?
    Warum? Wofür? Wodurch? Wohin? Wo? Wie? Ist es nicht Torheit noch zu leben?-
    Ach, meine Freunde, der Abend ist es, der so aus mir fragt. Vergebt mir meine Traurigkeit!“


    „Und dies Geheimnis redete das Leben selber zu mir: „Siehe“, sprach es, „ich bin das, was sich immer selber überwinden muss. […] [i]Und wer ein Schöpfer sein muss im Guten und Bösen:
    Wahrlich, der muss ein Vernichter erst sein und Werte zerbrechen.“


    „Ich bin zu heiß und verbrannt von eigenen Gedanken: oft will es mir den Atem nehmen. Da muss ich ins Freie und weg aus allen verstaubten Stuben.“


    „Die größten Ereignisse – das sind nicht unsre lautesten, sondern unsre stillsten Stunden.“


    „Diesen Rat aber gebe ich Königen und Kirchen und allem, was alters- und tugendschwach ist – lasst euch umstürzen! Dass ich ihr wieder zum Leben kommt, und zu euch – die Tugend!“


    „Mut nämlich ist der beste Totschläger – Mut, welcher angreift: denn in jedem Angriff ist klingendes Spiel.
    Der Mensch aber ist das mutigste Tier: damit überwand er jedes Tier. Mit klingendem Spiele überwand er noch jeden Schmerz; Menschenschmerz aber ist der tiefste Schmerz.
    Der Mut schlägt auch den Schwindel tot an Abgründen: und wo stünde der Mensch nicht an Abgründen! Ist sehen nicht selber – Abgründe sehen?
    Mut ist der beste Totschläger: der Mut schlägt auch das Mitleiden tot. Mitleiden aber ist der tiefste Abgrund: so tief der Mensch in das Leben sieht, so tief sieht er auch in das Leiden.
    Mut aber ist der beste Totschläger, Mut der angreift: der schlägt noch den Tod tot, denn er spricht: „War das das Leben? Wohlan! Noch einmal!““

  • "Es gibt vielleicht keine Tage unserer Kindheit, die wir so voll erlebt haben wie jene, die wir glaubten verstreichen zu lassen, ohne sie zu erleben, jene nämlich, die wir mit einem Lieblingsbuch verbracht haben. Alles, was sie, wie es schien, für die andern erfüllte und was wir wie eine vulgäre Unterbrechung eines göttlichen Vergnügens beiseiteschoben; das Spiel, zu dem uns ein Freund bei der interessantesten Stelle abholen wollte; die störende Biene oder der lästige Sonnenstrahl, die uns zwangen, den Blick von der Seite zu heben oder den Platz zu wechseln; die für die Nachmittagsmahlzeit mitgegebenen Vorräte, die wir unberührt neben uns auf der Bank liegen ließen, während über unserm Haupt die Sonne am blauen Himmel unaufhaltsam schwächer wurde; das Abendessen, zu dem wir zurück ins Haus mussten, und während dessen wir nur daran dachten, sogleich danach in unser Zimmer hinaufzugehen, um das unterbrochene Kapitel zu beenden, all das, worin unser Lesen uns nur Belästigung hätte sehen lassen müssen, grub im Gegenteil eine so sanfte Erinnerung in uns ein (die nach unserem heutigen Urteil um so vieles kostbarer ist als das, was wir damals mit Hingabe lasen), dass, wenn wir heute manchmal in diesen Büchern von einst blättern, sie nur noch wie die einzigen aufbewahrten Kalender der entflohenen Tage sind, und es mit der Hoffnung geschieht, auf ihren Seiten die nicht mehr existierenden Wohnstätten und Teiche sich wiederspiegeln zu sehen."


    (Marcel Proust - Tage des Lesens)


    "Wenn ich früher den Wunsch gehabt hatte, Lehrerin zu werden, so deshalb, weil ich davon träumte, Ursache und Zweck in einem zu sein; jetzt meinte ich, dass die Literatur mir erlauben würde, mir diesen Wunsch zu erfüllen. Sie würde mir eine Unsterblichkeit sichern, die mir ein Ausgleich für die verlorene ewige Seligkeit wäre; es gab keinen Gott mehr, der mich liebte, aber ich würde in Millionen von Herzen wie eine Flamme weiterbrennen. Indem ich ein aus meinem eigenen Erleben genährtes Werk verfaßte, würde ich mich selber wiedererschaffen und mein Dasein rechtfertigen. Zugleich würde ich der Menschheit dienen: Mit welchem schöneren Geschenk als Büchern konnte man sie bedenken? Ich interessierte mich zugleich für mich und die anderen; ich fand mich mit einer ´Fleischwerdung´ ab, aber ich wollte dennoch nicht auf Universales Sein verzichten; dieser Plan kam alle, entgegen: er schmeichelte alle Bestrebungen, die sich in mir im Laufe dieser fünfzehn Jahre ausgebildet hatten."


    (Simone de Beauvoir - Memoiren einer Tochter aus gutem Hause)


    "Und wenn er dann unter den Geräuschen des Morgens vollkommen aufgewacht war, landete er sofort inmitten eines Glücksgefühls, das in seinem Herzen sog; es war gut, am Leben zu sein, und in einem Nebelschleier schimmerte ein köstliches Ereignis, das jeden Moment eintreten musste. Doch sobald er versuchte, sich Sina vorzustellen, sah er nichts als eine schwache Skizze, der ihre Stimme hinter der Wand kein Leben einzuhauchen vermochte. Ein oder zwei Stunden später traf er sie bei Tisch, und alles begann von neuem, und er erkannte abermals, dass es ohne sie keinen Morgennebel des Glücks gäbe."


    (Vladimir Nabokov - Die Gabe)


    „Indem ich mich besinne, in welcher Eigenschaft ich mich dem etwaigen Leser dieser Notizen füglichst vorstelle, fällt mir ein, daß ich mich, dem Inhalt meines Schreibens gemäß, am besten als Bibliophile einführe. Wirklich ist dies wohl auch meine eigentlichste Eigenschaft. Wenigstens habe ich keinen wertvolleren Besitz und keinen, der mich mehr freut und auf den ich stolzer bin, als meine Bibliothek. Auch finde ich mich im Vielerlei der Bücherwelt leichter zurecht, als im Wirrwarr des Lebens und bin im Finden und Festhalten schöner alter Bücher besonnener und glücklicher gewesen als in meinen Versuchen, andere Menschen Schicksale freundlich mit dem meinigen zu verknüpfen. […] Die Teilnahme und die Freude, die ich an meinen Büchern habe, gilt nicht nur ihrem Inhalt, ihrer Ausstattung und ihrer Seltenheit, sondern es ist mir ein besonderes Bedürfnis und Vergnügen, womöglich auch die Geschichte dieser Bücher zu kennen. Ich meine damit nicht die Geschichte ihrer Entstehung und Verbreitung, sondern die Privatgeschichte des einzelnen, zur Zeit mir gehörigen Exemplares.
    Wenn ich in einem älteren Dichter blättere, in einer früheren Ausgabe von Claudius, von Jean Paul, von Tieck und Hoffmann, und ich fühle das heimelig altmodische, schlichte Druckpapier zwischen Daumen und Zeigefinger, so kann ich mich nie enthalten, der dahingehenden Geschlechter zu denken, welchen diese altgewordenen Papierblätter einst Gegenwart, Leben, Rührung und Neuheit bedeutet haben. Wenn man doch wissen könnte, in wie vielen vor Begeisterung und Lesefieber zitternden Händen so ein altes Exemplar des Titan oder des Werther gelegen hat, wie oft es in altfränkischen, ampelbeglänzten Zimmern nächtelang eine junge Seele zu Jauchzen und zu Tränen entzündet hat! Wie sonderbar teuer sind uns schon die Bücher, die sich vom Urahn her durch die Familie auf uns herab geerbt haben, die wir schon als Kinde im alten Spinde stehen sahen und die wir in den aufbewahrten Briefwechseln und Tagebüchern unserer Großeltern erwähnt finden! Und auf manchen aus fremder Hand erworbenen Bücher finden wir fremd klingende Namen ehemaliger Besitzer, Dedikationen aus dem vorvorigen Jahrhundert, und denken uns, sooft wir einen Federstrich, ein eingebogenes Ohr, eine Randglosse oder ein altes Lesezeichen finden, diese seit vielen Jahrzehnten gestorbenen Besitzer dazu, ehrwürdige Männer und Frauen mit ernsten, familiären Gesichtern und in längst veralteten kuriosen Röcken, Manschetten und Krausen, Leute die das Erscheinen des Werther, Götz, Wilhelm Meister und die Erstaufführungen Beethovenscher Werke erlebt haben.
    Unter den alten Lieblingsbänden in meinen Bücherschränken sind viele, deren mutmaßliche Geschichte für mich ein reiches Feld köstlich neugieriger Forschungen und Vermutungen ist. Dabei bin ich im Phantasieren und Erfinden nicht allzu sparsam, teils aus Vergnügungslust, teils in der Überzeugung, das alles Erfassenwollen der wahren, inneren Geschichte vergangener Zeiten ein Werk der Phantasie und nicht des wissenschaftlichen Erkennens ist. Von den in prachtvoller Antiqua gedruckten aldinischen Oktavbänden der italienischen Renaissance bis zu den Erstausgaben von Mörike, Eichendorff und der Bettina habe ich fast für jeden Band meiner Sammlung einen imaginären ersten Besitzer. Kriege, Feste, Intrigen, Diebstahl, Tod, Mord spielen gelegentlich mit, ein Stück wirklicher Welthistorie und erdichteter Familiengeschichten hängt an den antiquarischen Schwarten, deren Einbände mir, selbst wo sie etwas schadhaft sind, von keinem modernen Buchbinder berührt werden dürfen.
    Außerdem aber besitze ich einige Bücher, deren Vergangenheit mir teils ganz, teils wenigstens jahrzehnteweis bekannt ist. Ich weiß die Namen ihrer ehemaligen Leser und den des Buchbinders, der sie seinerzeit gebunden hat; ich weiß von darinstehenden Glossen und Notizen Hand und Jahr, woraus sie stammen. Ich weiß von Städten, Häusern, Zimmern und Schränken, in denen sie standen; ich weiß von Tränen, die auf sie geflossen sind und deren Ursache ich kenne.
    Diese paar Bücher schätze ich über alle anderen. Der Umgang mit ihnen hat mir manche melancholische Stunde heller gemacht; denn oft werde ich einsamer Mann inmitten der schweigsamen Gesellschaft meiner Scharteken von Trauer überfallen, wenn ich sehe, wie schnell alles das, was einmal modern und neu und wichtig war, dem kühlen, mitleidig lächelnden Interesseeiner anderen Zeit oder der Vergessenheit anheimfällt und wie schnell das Gedächtnis des einzelnen verlischt.
    Dann reden mir diese paar Bände tröstend vom Geheimnis der Liebe, vom Bleibenden im Wechsel der Zeiten. Sie geben mir, wenn ich mir einsam erscheine, zu Nachbarn die aufsteigenden Bildnisse ihrer gestorbenen Freunde, deren Kette ich mich willig und dankbar anschließe. Denn in solchen Zeiten ist das Gefühl, als untergeordnetes und geringes Glied einer festen Gemeinschaft und Folge anzugehören immer noch besser und tröstlicher als das grausame und sinnlose Alleinsein im Unendlichen. Von diesen lieben Büchern habe ich nun eines ausgewählt, dessen Geschichte ich erzählen will, damit es dadurch vielleicht einem späteren Besitzer teurer werde. […]“


    (Hermann Hesse - Gesammelte Erzählungen: Der Novalis)

  • ..


    "Ausgestreckt liegt die Hur* auf einem Berg Holz, als alles vorbei ist. Sie versucht gar nicht erst, sich zu bedecken ... sie benimmt sich, als hätte sie vergessen, wo sie war, und wirkt völlig ausgefickt und befriedigt. Aber ich fürchte, daß sie sich wieder erinnern und versuchen wird, mir ein paar Francs zu entluchsen, von mir einen Drink spendiert oder ein Taxi bezahlt haben möchte oder mir von ihrer kranken Mutter erzählt ... Ich nehme den ersten Geldschein, den ich in meinen Taschen finde, wische meinen Schwanz daran ab und lege ihn ihr verknittert und mit einer Münze beschwert auf den nackten Bauch. .. Die Straßen nehmen mich wieder auf, düster und fremd wie zuvor..."


    ..


    "Sobald sie sprechen kann, sagt Ann, daß sie nie wieder in meine Wohnung kommen wird. Nein, diesmal ist sie zu weit gegangen ... viel zu weit. Ist mir klar, daß sie einen Ehemann hat, der an sie glaubt, ein kleines Mädchen, daß sie verehrt? Sie muß an sie denken. Oh, eine Ehefrau und Mutter kann sich nicht so benehmen! Die Zeit für solche Abenteuer ist vorbei ... eine Frau in ihrem Alter und in ihren Verhältnissen ist verrückt, sich auf solche Expeditionen zu begeben. - Sie möchte sofort gehen, aber ich erlaube es nicht. Ich überrede sie, noch auf ein Glas Wein hierzubleiben, dann auf ein zweites... Sie nimmt wieder die Bilder in die Hand. Diejenigen, auf denen Anna diverse Pimmel lutscht und sich die Fotze lecken läßt, scheinen sie mehr anzuziehen als zuvor. So eine Verderbtheit wie hier in Frankreich ... das muß in der Luft liegen. Natürlich hat sie so etwas wie heute nacht noch niemals getan ... ob ich das verstehe? Ich versichere ihr, daß ich es völlig verstehe ... und ob sie jetzt wohl ins Schlafzimmer kommen würde ... oder zieht sie die Couch vor? Sie findet die Couch sehr einladend, aber sie sollte wirklich nicht ... armer Sam ... armer Sam ... Es ist nicht recht, ihn so zu hintergehen ... und sie rollt sich auf den Rücken und spreizt die Beine..."


    ( -- 'Opus Pistorum' / Henry Miller -- )

  • „Die kalte hartschwarze Glasdunkelheit…“


    „Wo ist der Fehler. (Zwischenfrage: sind Fehler möglich? Kann die gute Sache schlecht sein? Nein. Sie ist die bessere zumindest.) Ist die Gruppe der guten Leute (als Gruppe) unzweckmäßig eingerichtet? Da ist eine schwache Stelle: die Person. „Die guten Leute sind an etwas interessiert / was ausser innen liegt“: ist die Person erhaben, die imstande ist abzusehen von sich selbst? Ja. Ist sie denkbar? Mischen Sie sich nicht ein in mein Privatleben mit Ihren zudringlichen Fragen. Wir erörtert das hier ganz sachlich.
    Wodurch büsste die katholische Kirche ein an Ansehen und Verehrbarkeit? Durch das Dogma der persönlichen Unfehlbarkeit. Ist sie denkbar in einer gerechten Hinsicht? Der Mensch ist schwach und anfällig für den Eigennutz. Die Möglichkeit recht zu haben macht rechthaberisch. Jeder macht mal einen Fehler. Aber beim Flugzeugentführer macht der Fehler mehr aus, als bei spielenden Kindern; wann beginnt ein Fehler ein Verbrechen zu sein? Sind Fehler straffällig? Der Mächtige bestraft sich selbst für den Missbrauch der Macht: das ist ein neues Sprichwort, ich kenne es nicht.
    Die guten Leute sind viele, ihr Führer soll sein sie alle mit all ihren Augen. Dann müsste rein statistisch die Fehlerquote niedriger liegen. Wäre nicht Wünschens wert: Die Führer sollen Rechenschaft legen für jeden Anspruch der Angeführten, sie sollen strafbar sein für jeden Fehler, bei erwiesener Schädlichkeit sollen sie zurückgeschickt werden können in die harte Arbeit des alltäglichen Lebens von einem Morgen zum anderen?
    Nein. Denn was stellt der Oberste der Besten vor, was vertritt er, was ist enthalten in ihm? Die gute Sache. Die gute Sache kann nicht zurückgeschickt werden. Schädigt nicht jede Bekanntmachung von Fehlern das Ansehen der guten Gruppe? Macht die Anerkennung von möglicher Fehlbarkeit die gute Sache nicht fehlbar insgesamt, gut nur im Wollen und Vorhaben nicht heilig unantastbar aber als Das Bestehende sondern auch da noch wieder veränderlich? Rühmens wert ist der Versuch. Ist jedoch die gute Sache ein Versuch nur (unter anderen gleichwertigen), so könnte sie anders sein. Es ist notwendig, dass ihre Gerechtigkeit unbestritten bleibe zu jeder Zeit. Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit…(was ist notwendig?).“


    „…und noch immer schlaftrunken wie ich neben Jakob lehnte am Fahrkartenhalter stand ich am Schluss des Schnellzuges und hielt mich fest an den Griffen der verschlossenen Tür und sah die Gleise scharf sich aufbäumen hinter unserer heulenden Fahrt, zurückbleibende Signale schrien uns hinterher rot rot, der Wald lief weg mit ihnen als hätt er Augen bekommen und dann kam die grosse Wiese mit dem grauen Mondlicht und die eingeschlafenen Knicks rutschten zum Horizont hinunter mit den sanften Abhängen des nächtlichen Landes, bis die Wolken wieder zusammentrieben und wir schwarz durch das Schwarze jagten in dem engen, schwankenden Gehäuse, dicht und finster und hoch standen Menschen um uns wie Bäume und schwiegen und ich schwieg und Jakob schwieg und das Land schloss sich ebenmäßig über der aufgerissenen Lärmfurche hinter uns um uns zu Stille.“


    „Als Cresspahl sich an Jakob erinnerte, lächelte er vor lauter Gegenwärtigkeit, denn Jakob erstarrte nicht in den Bildern des Abschieds sondern blieb im Gedächtnis als eine Wirklichkeit von Lächeln und Antworten und Spass und Leben überhaupt: wie eine Gebärde.“


    „Nun hatte er eine gewissenlose Weise im Umgang mit Worten. Sie gingen ihm leicht und ohne Zögern vom Munde, so dass Cresspahl manchmal einen Anschein von Zauberei wahrnahm: als bringe jemand ohne Aufhören immer neue boshafte Zeichnungen von der Welt zustande, und dabei sei bei aller Übertreibung und Gedankenverkürzung doch genau gerechnet worden und nichts unterschlagen; die Richtigkeit sah fremd aus.“


    „Er antwortete und dies weiss ich: ich habe seine Worte sofort vergessen damit ich nicht verlor was er meinte, hier wie in allem war nun die zähe Zielstrebigkeit, die man aufbringt in Träumen vom Wünschbaren, aber es fehlt etwas, der Wünschenswert ist nicht vollkommen, etwas in mir stemmt sich gegen die Wirklichkeit und löscht sie aus wie ein Schwamm Kreide auf Schwarz und dann kommt der Traum wieder mit seinem Anfang und die Zufriedenheit steigt auf als nehme ein Flugzeug den zweiten Anlauf vor der Schallgrenze und weicht wieder zurück vor dem Unvermögen und zum dritten Mal immer fadenscheiniger beginnt der Schlafwandel mit dem Treppensteigen, eine Stimme sagt LISSEN, YOU, meine Stimme sagt Which feature ist it (ich weiss: hier fehlte vorher etwas so geringfügig wie Sand zwischen zwei losen Fingern) und die Stimme sagt I shall never live that down und der Traum bricht ab wie ein Glasfaden mit dem krampfigen Zittern des Gefühls , das ich aus einem Kulturfilm erinnere mit den drei inständigen Rucken des Düsenjägermodells im Windkanal beim Durchbrechen der Schallgrenze, nun war der Traum vollkommen wie er sein kann im Halbschlaf gegen Morgen und man weiss beim Aufstehen deutlich die Absichtlichkeit des Selbstbetrugs“


    (Uwe Johnson - Mutmassungen über Jakob)

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